Heute drangen wir in die Todesschmiede ein. Ein Drecksloch der kümmerlichen Illidariüberreste. Es war befriedigend meinen Zorn und meine Frustration über dieses verfluchte Land an ihnen auszulassen. Jedes Mal, wenn meine Klinge in den Leib eines Orcs eindrang und sein Leben beendete, fühlte ich Genugtuung. Wie im Rausch schwang ich meine Klinge gegen meine Feinde und ließ einer nach dem anderen zu Boden gehen. Ich ließ sie verbluten. Wie Insekten sollen sie sterben. Diese Monster die nichts als Krieg und Leid über diese und unsere Welt brachten.
Der Einsatz wurde erfolgreich abgeschlossen, der Befehl der Fürstin erfüllt. Was genau der Magister dort gesucht hat, interessiert mich nicht. Ich hatte meine Pflicht erfüllt. Das, und das Morden, ist wohl das einzige, wozu ich in der Lage bin. Überrascht hat mich allerdings, was danach geschah. Der Onkel von Fürstin Abaeir forderte mich und die beiden Blutritteradepten auf, die Streitkräfte der Shat’ar aufzusuchen und ihnen eine Gefälligkeit im Namen des Hauses zu bringen. Ich kann mir denken, weshalb man uns ausgesucht hat. Wer wäre dafür passender, als die neuen Lichtritter von Silbermond?
Die Fürstin wusste offenbar nichts von meinen inneren Konflikten mit dem Licht. Aber ich nahm den Befehl ohne Widerworte an – genau so, wie wir es in der Ausbildung lehrten. Ich flog gemeinsam mit meiner Schülerin. Lanthiel fiel das zu missfallen, aber ich hatte in diesem Moment größere Sorgen. Minute um Minute verging. Ich betrachtete das trostlose, schwarze Land unter mir. Hier herrschte die völlige Finsternis. Kein Licht, keine ewige Sonne die es bescheint. Ich war bereits einmal hier, unter dem Kommando des Prinzen. Damals kämpften wir gegen die Legion und eroberten den schwarzen Tempel. Wer hätte ich gedacht, dass wir uns nur wenige Jahre danach mit ihnen verbündeten?
Mit jedem Augenblick, dem wir uns dem Tempel näherten, fühlte ich, wie mein Herz schneller schlug und mein Griff um die Zügel stärker, verkrampfter wurde. Eine Begegnung mit dem Naaru. Sie waren von meinen einstigen Taten am schlimmsten betroffen. Es würde eine Scham werden, vor sie zu treten. Wir setzten zum Landeanflug an. Während die beiden Adepten ihre Aufmerksamkeit und Faszination auf den Tempel richtet, hatte ich mein Augenmerk nur für ein einziges Wesen an diesem Ort. Ein kleiner Funke des Lichts in dieser endlosen Dunkelheit: Xi'ri! Meine Glieder wurden schwerer und ich spürte, wie mein Puls zu rasen begann. Schweißtropfen bildeten sich auf meiner Stirn und rollten langsam meiner Haut herab. Ich zwang meine Beine mit jedem Schritt näher an den Naaru heran. Dann fühlte ich es. Die Liebe. Die Hoffnung. Die Stärke des Lichts. Die Heiligkeit die von diesem Wesen ausging. Als ich vor ihn trat, wuchs meine Scham ins unermessliche. Ich fiel auf meine Knie und neigte mein Haupt. Ich hoffte, es würde rasch vorbeigehen, und hielt dem Naaru das Geschenk der Fürstin entgegen.
Aber dieser schien kein Interesse daran zu haben. Ich fühlte, wie seine wärmenden Energien mich umgaben. Er sprach zu mir. Beruhigend, sanft, melodisch. Anfangs versuchte ich mich krampfhaft dagegen zu wehren. Ich warf meinen Helm zur Seite und drückte die Ohren zu, um die singende Stimme des Naarus zu verdrängen. Doch es gelang mir nicht. Xi’ri durchbrach meine innere Blockade. Ein starkes Gefühl der Geborgenheit und der Gnade umfing mich. Ich konnte mich nicht länger zurückhalten und beichtete dem Naaru meine Taten. Das Aussaugen von lichtgläubigen Draenei um ihre Lichtenergien zu nutzen. Die Folterung von M’uru und wie ich mich an dieser Macht ergötzt hätte. Die Exekution zahlreicher, unschuldiger Draenei in der Festung der Stürme und das rücksichtslose Morden bei Kirin’Var unserer Einheit unter Morgenschlag. Xi’ri hörte mir zu und dann geschah etwas Unerwartetes: Er vergab mir meine Sünden. Die Gnade ließ mich beinah in Tränen ausbrechen, mit Müh und Not hielt ich mich zurück. Leise flüsterte ich ein Dankesgebet. Das Licht kehrte zurück. Ich fühlte seine Stärke die durch jedes einzelne Glied floss. Meine Augen öffneten sich und ich hob den Blick. Ich erhob mich und war bereit. Bereit für meine Sünden Buße zu tun.
Elrendar Dämmersturm
Zuletzt von Shyntlara am Sa Apr 23, 2011 2:42 am bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
Dieses Zeugnis sollte an sich genau so stehen bleiben, kommentarlos, unangetastet und für sich. Es tut mir schon fast leid, diesen, erstaunlich literarisch bewegten, Ausschnitt zu kommentieren. Ein wunderschön bündiger Schlüsselmoment, wie man ihn gewiss schon in Tausend Variationen gelesen und gesehen hat, aber für sich, besonders wenn man in Hintergründe eingeweiht ist, immer wieder etwas besonderes ist. Die Ich-Perspektive ist für mich persönlich ein Hoch, den Eindrücke und Ansichten werden damit vorzüglich vermittelt, Nebensächlichkeiten gezwungener Maßen nur beiläufig angeschnitten. Nebensächlichkeiten wie Aussehen, Augenfarbe... Und das ist auch das einzige was richtig stört, das seltsame Ende, in dem Elrendar nicht nur in den Spiegel der Seele, sondern auch der in seiner geheimen Handtasche geguckt zu haben scheint. Die Formulierung ist hier ein wenig unglücklich, eine Wahrscheinlichkeit oder die Andeutung von Gewissheit, dass es so ist, wäre vielleicht nicht ganz so plump. Ich freue mich sehr, seine Version der Geschichte gelesen zu haben. Taz!